Erstveröffentlichung des Beitrags am 12.10.2018 auf OWL-Morgen.de

Erstveröffentlichung des Beitrags am 12.10.2018 auf OWL-Morgen.de
Heutzutage stecken wir mitten in der digitalen Transformation – dem Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft durch digitale Technologien und Vernetzung. Auch wenn das Schlagwort „Digitalisierung“ inzwischen unterschiedlichste Emotionen hervorruft, so besteht kein Zweifel daran, dass derzeit vollkommen neue gesellschaftliche Strukturen und Geschäftsmodelle entstehen.
Usability Engineering und User Experience Design – die Gestaltung und Entwicklung von Produkten und Services ausgerichtet an den Erfordernissen und Fähigkeiten der Menschen – sind der zentrale Erfolgsfaktor geworden.
Der Gestaltungsaspekt bei Software tritt damit in den Fokus der Aufmerksamkeit. Gestaltung oder auch „Design“ betrachtet dabei allerdings nicht nur die visuelle Aufbereitung und Darstellung von Informationen und Benutzungsschnittstellen, sondern insbesondere auch die Konzeption – die grundlegenden Ideen und Gedanken hinter einer digitalen Lösung.
Ein gebrauchstaugliches und nützliches Produkt sowie ein positives Benutzungserlebnis führen zu Freude, Zufriedenheit und Akzeptanz bei den benutzenden Personen. Negative Erlebnisse hingegen verursachen Probleme und schlechtes Design spielt unter Umständen sogar mit dem Leben anderer, bspw. in sicherheitskritischen Systemen wie medizinischen Geräten oder bei Flugzeugen. Design hat somit einen großen Einfluss auf das Verhalten der Menschen. Wir alle denken gerne, dass wir helfen und genau wissen, was andere Personen benötigen. Manchmal aber schauen wir nicht genau genug hin und vernachlässigen die potentiellen Einflüsse und Auswirkungen auf den Einzelnen bzw. auf die Gesellschaft.
Digitale Assistenzsysteme sind heutzutage allgegenwärtig. So trägt der Beschäftigte in der Kommissionierung Brillen mit Augmented Reality (AR), um sich durch das System gezielt zu den Werkstücken im Lager leiten zu lassen. Der Beschäftigte in der Maschinenführung erledigt die Wartung der Maschine mittels einer AR-Brille, die ihm digital die Informationen über den Zustand der Maschinen einblendet. Digitale Systeme im Krankenhaus übernehmen die automatische Verabreichung von entsprechenden Medikamenten an die Patienten.
Hierbei liegt die Verantwortung des Designs bspw. in den Fragen:
Die digitale Verarbeitung, Übertragung und Speicherung von Daten verursachen in Summe einen umfangreichen Einsatz von Rechenleistung in Form ganzer Rechenzentren – unseren Clouds –, aber auch in der Vielzahl kleiner, mobiler Endgeräte, die hergestellt, betrieben und wieder entsorgt werden müssen. Dabei ist uns häufig nicht bewusst, dass diese sowohl in der Herstellung entsprechende Ressourcen verbrauchen, als auch entsprechend mit Strom versorgt und dieser wiederum produziert werden muss.
Die Verantwortung an das Design liegt hierbei bspw. zum einen im nachhaltigen Umgang mit ökologischen Ressourcen und zum anderen auch darin, das Bewusstsein der Menschheit darüber zu erhöhen sowie deren Handlungskompetenz zu stärken.
Durch entsprechende Sensorik sowie Algorithmen als auch durch Inhalte, die durch die Menschen geschaffen wurden (bspw. soziale Netze), produzieren wir eine Vielzahl von Daten und Informationen. Nur zu häufig handelt es sich dabei auch bewusst oder unbewusst um personenbezogene Daten oder um Daten, die Rückschlüsse und Vorhersagen auf unser Verhalten zulassen. Auch wenn dies eine eher deutsche Meinung ist und andere Länder häufig entweder offener oder unreflektierter mit dem Thema umgehen, so bleibt die Frage nach der Balance zwischen dem korrekten Umgang mit Daten und dem „Ausbremsen“ neuer technologischer Entwicklungen bestehen.
Denken wir bspw. mal über ein System nach, bei dem Personen mit Diabetes Informationen über sich und das Krankheitsbild im System dokumentieren, gleichzeitig aber auch über die ausgewerteten Daten der Community eine zielgerichtete Behandlung, u.a. in Form einer genaueren Dosierung erhalten.
Die Digitalisierung sowie deren Wechselwirkung in Bezug auf die Arbeitswelt wird derzeit unter dem Schlagwort „Arbeit 4.0“ diskutiert.
Fragen an die Gestaltung digitaler Systeme konzentrieren sich hierbei u.a. darauf,
Das alles sind Dinge, die mit Motivation, Zufriedenheit, psychischer Gesundheit und Leistung einhergehen und daher auch bei Technologieeinführungen berücksichtigt werden sollten.
Wer kennt es nicht, dass gerade in den vergangenen Jahren die digitale Kommunikation stetig gestiegen ist. Seien es die zahlreichen E-Mails, die uns täglich erreichen oder die diversen Messenger und sozialen Dienste von Whatsapp, über Facebook, Skype, Slack bis hin zu Snapchat. Fakt ist, wir sind mittlerweile rund um die Uhr erreichbar, haben eine dauerhafte Reizstimulation und die Erwartungen an die Reaktionszeit sind hoch. Auch unsere Lieblingsserien sind dauerhaft per Streamingdienst verfügbar und Informationen erhalten wir fast nur noch vorgefiltert über das Netz, so das bspw. unser Einkaufsverhalten oder auch unsere Meinung zu gewissen Themen entsprechend gesteuert und insbesondere durch kollektives Verstärken beeinflusst wird – Stichworte „Filterblase“ oder „Echokammer-Effekt“.
Einige Fragen im Design sind hierbei:
Digitalisierung und gute Gestaltung kann heutzutage auch eine Chance sein. Eine Chance der Inklusion, damit Menschen an der Gesellschaft teilhaben können. Sei es auf Grund körperlicher oder kognitiver Einschränkungen, sei es auf Grund von Sprache oder der Kultur. Jeder von uns ist Teil einer Gesellschaft. Ein angemessenes Design kann den Zusammenhalt fördern, kann Barrieren überwinden oder kann für Bildung und Aufklärung sorgen.
Alle diese Fragen kann jedoch keine einzelne Person, wie bspw. ein Projektverantwortlicher, beantworten. Die digitale Transformation benötigt interdisziplinäres Denken. Damit dies gelingt müssen fachliche Silos aufgebrochen werden. Nur so können wir über den Tellerrand schauen, vorausdenken und mögliche negative als auch positive Auswirkungen frühzeitig erkennen und abwägen.
Für das Management bedeutet dies, sich auf Augenhöhe mit den Beschäftigten zu begeben. Gestaltende Personen müssen sich verstärkt ein Bild darüber zumachen, welche digitalen Technologien derzeit existieren und wie diese eingesetzt werden können. Technische Personen müssen sich Gedanken dazu machen, für wen sie eigentlich die Systeme bauen.
Erst wenn alle Professionen zusammenarbeiten und sich wertschätzend respektieren, können im Rahmen der digitalen Transformation digitale Lösungen entstehen, die verantwortungsvoll und nachhaltig mit den gesellschaftlichen Auswirkungen umgehen.